Alle Jahre wieder
der gute Vorsatz
sich dieses Mal zeitig zu kümmern
sich den Stress zu ersparen
schlauer zu sein als die anderen
schlauer zu sein als man selbst
in den anderen Jahren.

Die erste Ermahnung schon im Oktober
wenn runde orangene Pflanzenfrüchte
rot-weißen kegelförmigen Kopfbedeckungen
weichen
wenn tagesaktuelle Hits
den jahreszeitlichen Dauerbrennern die
Lautsprecher überlassen
wenn falscher Schnee
über die Absenz des echten hinwegtäuschen soll.

Doch ist das alles ja viel zu früh
es ist ja noch Zeit
bloß nichts überstürzen
der Einfall kommt bestimmt noch
vor dem großen Trubel der entsteht
weil alle anderen die Ermahnung auch
geflissentlich ignorieren.

Die zweite Ermahnung kommt Ende November
wenn ein schwarzer Freitag dafür sorgen soll
dass sich ein schwarzer Donnerstag nicht
wiederholt
wenn die Jagd eröffnet wird
auf Prozentzeichen, vier Buchstaben und dieses
unstillbare Verlangen
wenn gute Vorsätze sich so schnell auflösen
wie unerschütterlich geglaubte Preise.
Doch ist das alles ja irgendwie verrückt
Ellenbogen raus und rein
alles tun um nicht der letzte zu sein
und möglicherweise etwas zu verpassen
das es so noch nie gab!
zumindest nicht für die letzten zwölf Monate
lieber noch ein wenig warten.

Die dritte Ermahnung folgt Anfang Dezember
wenn auf kalten nassen Straßen und Plätzen
Hände und Herzen an Heißgetränken gewärmt
werden
wenn Kunsthandwerk nach zehnmonatigem
Desinteresse
plötzlich in das Zentrum der Aufmerksamkeit rückt
wenn gebrannte Mandeln
plötzlich zu Flammkuchen passen.

Doch ist das alles ja schön und gut
sich an den Ständen tummeln
neuerdings eingesperrt
um etwas auszusperren
ein wenig Normalität in anormalen Zeiten
bekannt wie die Ideenlosigkeit
inmitten tausend verschiedener gleicher
Ornamente.

Der Tag naht
doch alle Ideen werden schnell
wieder verworfen
zu plump, zu einfallslos, zu unkreativ
zusehen, wie die Zeit verrinnt
während eine Idee nach der anderen
zurück in die Schatten verbannt wird.

Ist es vielleicht das
das könnte gefallen
das könnte Freude bereiten
das könnte überraschen
das könnte an Gemeinsames erinnern
das könnte gemeinsame Erinnerungen schaffen
oder auch nicht.

Vielleicht ist es das nicht
es könnte missfallen
es könnte missverstanden werden
es könnte zu wenig sein
es könnte zu viel sein
es könnte unnötig sein
das ist es nicht.

Gibt es denn das perfekte Geschenk
das Freude bereitet bei Beschenkten und
Schenkenden
das nichts kostet und doch kostbar ist
das nie gleich und doch unverwechselbar ist
das alle geben können obwohl es manche
verloren haben
das Nähe schafft über die größte Distanz
das Grenzen überwindet und Menschen verbindet.

Zaghaft anfangs
dann immer bestimmter
machen sich die Mundwinkel auf den Weg
nach oben Richtung Ohren
die Augen kommen dazu
und schließlich das ganze Gesicht
Ich weiß es.

von Jakob Strobel