Fast genau ein Jahr nach dem Rücktritt des Ex-Präsidenten Evo Morales hat Bolivien wieder einen demokratisch gewählten Präsidenten. Luis Arce, der Kandidat der MAS (Movimiento al Socialismo, Name der bolivianischen Linkspartei) konnte sich gegen seine Herausforderer durchsetzen und wurde am 8. November 2020 vereidigt.
Nachdem er 2016 das Referendum über eine Verfassungsänderung verloren hatte, die es ihm erlaubt hätte, ein viertes Mal zu kandidieren, kandidierte Präsident Evo Morales 2019 erneut für die Präsidentschaft. Sein stärkster und einzig nennenswerter Konkurrent war Ex-Präsident Carlos Mesa (Comunidad Ciudadana).

Das Wahlsystem in Bolivien ist sehr speziell als solches. Um Präsident zu werden, muss der Sieger im ersten Wahlgang mehr als 50% erreichen oder mehr als 40% und mehr als 10% Abstand zum zweiten Kandidaten haben, sonst gibt es eine Stichwahl.
Nachdem etwa 84% der Stimmen ausgezählt waren, schien alles darauf hinzudeuten, dass es eine Stichwahl geben würde, zu diesem Zeitpunkt hatte Morales 45% der Stimmen und Mesa 38%. Dann wurde die Aktualisierung der Ergebnisse für 24 Stunden unterbrochen und als die Auszählung wieder veröffentlicht wurde, war der Abstand über 10%. Morales gewann mit 47% über Mesa, der nur 36,5% hatte.
Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die zahlreiche Beobachter entsandte, sprach von schweren Unregelmäßigkeiten bei der Wahl. Es folgten zahlreiche Proteste in den verschiedenen Großstädten, die über Wochen andauerten. Nachdem Polizei und Militär Morales die Unterstützung entzogen hatten, erklärte Morales in der Nacht zum 10. November 2019 seinen Rücktritt als Präsident und musste ins mexikanische Exil fliehen. Andere Stellen sehen darin einen Putsch, der mit Hilfe der OAS durchgeführt werden konnte, da deren Bericht selbst fehlerhaft war, so die New York Times.
Als auch der Vizepräsident und der Präsident der Senatorenkammer zurücktraten, erklärte sich die Vizepräsidentin des Senats, Jeanine Áñez, am 12. November zur Interimspräsidentin. Es folgten Proteste und Blockaden von Morales-Anhängern.
Eigentlich sollte Áñez nach 90 Tagen eine Neuwahl organisieren, die aber wegen der Corona-Pandemie, die das Land schwer getroffen hatte, verschoben wurde. Nach fast einem Jahr hielt Bolivien am 18. Oktober 2020 erneut seine Präsidentschaftswahlen ab. Diesmal standen drei nennenswerte Kandidaten auf der Wahlliste. Luis Arce, der für die MAS kandidierte, Carlos Mesa von der Comunidad Ciudadana, und Luis Fernando Camacho, der eine zentrale Rolle bei der Absetzung von Morales gespielt hatte. Mit 55% der Stimmen setzte sich Luis Arce klar gegen Carlos Mesa mit nur 29% durch. Dies bescherte der linken Partei einen weiteren Sieg, dieses Mal ohne Unregelmäßigkeiten und völlig demokratisch. Am 8. November 2020 wurde Luis Arce als Präsident vereidigt und das neue Kabinett vorgestellt. Am nächsten Tag wurde der Haftbefehl gegen Evo Morales aufgehoben und der Ex-Präsident kehrte aus dem Exil nach Bolivien zurück.
Wahlbetrug/Putsch hin oder her, Bolivien hat wieder einen demokratisch gewählten Präsidenten und damit auch die Demokratie zurück. Alles in allem kann man nur hoffen, dass der Frieden nach Bolivien zurückkehrt und der neu gewählte Präsident es schafft, die gegnerischen politischen Gruppen zu vereinen und die Bolivianer gemeinsam versuchen, eine bessere Zukunft für ganz Bolivien zu schaffen!

VON LAURA ESCOBAR UND ALEJANDRO ZAMORANO REICHOLD